Chronik - 150 Jahre Schützenkorps Winsen (Luhe)


Von der Winsener Schützengilde zum Schützenkorps

Von Ehrenmajor Martin Ravens


Wohl eins der ältesten Volksfeste unserer Gegend ist das Schützenfest zu Winsen a.d. Luhe.

Seit wann es begangen wird, ist nicht festzustellen, seine Anfänge aber dürften in dieselbe Zeit wie diejenigen des Harburger Vogelschießens zurückreichen, das zuerst im Jahre 1528 stattfand.
Das älteste Schriftstück, welches über das Bestehen einerSchützengilde in Winsen Kunde gibt, datiert vom 24. September 1597. Es ist ein Schreiben, welches „die verordneten Schaffer der Schützengilde alhier zu Winsen“ an die auf dem Schlosse zu Winsen wohnende Herzogin-Witwe Dorothea zu Braunschweig-Lüneburg richteten und in welchem sie die „durchlauchtigste hochgeborene Fürstin, gnedige Frau“bitten, sie möchte den „gemeinen Schützen alhier zu Winsen zu einem Ehrengewinn vor der Scheiben einen Hosentuch verabfolgen“, wie solches alljährlich von deren verstorbenen Gemahl Herzog Wilhelm dem Jüngeren geschehen sei.

 

Bald darauf trat in Winsen beim Schießen ein Vogel an die Stelle der Scheibe.
Wer den Vogel abschoß, hatte eine Freigerechtigkeit. Das geht u.a. aus einer Beschwerde des Bürgers Matthias Meier vom Jahre 1618, der den Vogel abgeschossen hatte, hervor, dem man aber die Freigerechtigkeit verweigerte. Er wandte sich beschwerdeführend an die Regierung zu Celle, und diese verfügte unter dem 9. Juli 1618, daß ihm die Freigerechtigkeit, wenn es bisher so üblich gewesen, gewährt werde.Im 30jährigen Kriege (1618-1648) hatte die Stadt Winsen schwer zu leiden, wurde sie doch 1627 von dänischen Kriegsvölkern fast gänzlich niedergebrannt. Das Schießen wurde daher in dieser kurzen Zeit, sowie auch in den folgenden Jahrzehnten, nicht regelmäßig abgehalten, bis der Rat der Stadt im Jahre 1694 beschloß, alljährlich wieder ein Scheiben-oder Vogelschießen einzurichten.

 

Angesichts der in der Stadt herrschenden Armut wandte man sich am 27. Juni 1694 an den Herzog zu Celle mit der Bitte, für das Schießen einen Königsgewinn auszusetzen.
Der Amtmann zu Winsen empfahl auf eine Rückfrage den „Herren geheimbten Rächen zu Zell“, es möge ein Gewinn von 10 Talern ausgesetzt werden oder es möge derjenige, welcher den besten Schuß tut, für das Jahr steuerfrei sein. Der Herzog entschied sich für die Auszahlung der 10 Taler, und wurden diese alljährlich dem Rate der Stadt aus der fürstlich braunschweigisch-lüneburgischen Landeskasse zu Celle verabfolgt.Das große Scheiben-oder Königsschießen fand nun in den folgenden Jahren gewöhnlich am Mittwoch nach Pfingsten statt. Daneben gab es noch ein kleines Scheibenschießen, welches auf dem Stadtwall stattfand, dieses wurde drei bis vier Wochen vor Pfingsten und fünf bis sechs Wochen nach Pfingsten allsonntäglich nach beendetem Gottesdienste abgehalten.
Bei dem großen Scheibenschießen erhielt der König jene vom Herzog ausgesetzten 10 Taler und einen silbernen Löffel von vier Loth. Er hatte die Pflicht, der Schützengilde einen silbernen Schild zum Andenken zu stiften. Die übrigen Gewinne –wohl 14 und mehr an der Zahl –bestanden aus zinnernen Schüsseln und Schalen. Bei dem kleinen Scheibenschießen gab es ebenfalls kleine Zinnsachen als Gewinne, wozu jeder Schütze bezahlen mußte. Die Unkosten des Schießens wurden aus dem Ertrage von zwei Wiesen –genannt „große und kleine Scheibenwiese“ –aufgebracht; außerdem mußte jeder Bürger sechs Groschen zahlen.

 

Das „große Scheiben-und Königsschießen“ wurde nach einer vom Bürgermeister und Rat der Stadt festgesetzten, sehr strengen Ordnung abgehalten, wir eine solche aus dem Jahre 1705 vorliegt.

Auf dem Schießplatze angekommen, brachten die Corporale die Fahnen „nach den Stangen“ und versahen sie mit gehöriger Schildwache, die ihr Seitengewehr aufpflanzte. Den ersten Schuß gab ein Beamter für den Landesherrn ab. Dann hatte jeder Bürger drei Schüsse. Wer zwei Häuser besaß, dem stand es frei, für beide Häuser zu schießen, „jedoch nicht aus einem Rohr, sondern er soll vor das andere Hauß auch ein ander Rohr gebrauchen“.Beim Schießen wurde korporalschaftsweise gefrühstückt, wozu die Bürger, welche in acht Corporalschaften eingeteilt waren, abwechselnd Schinken und Brot mitbringen mußten.

 

Das Jahr 1710 hatte das vorläufige Ende des Scheibenschießens gebracht.
Am 4. Juli 1710 erließen die „Churfürstlich Braunschweig-Lüneburgischen Geheimbte Räthe“ zu Hannover eine Verordnung, durch welche das öffentliche Scheiben-Schießen zu Winsen a.d. Luhe, wie in allen kleinen Städten und Flecken des Landes verboten wurde, weil es „viele desordres verursache und zum Gesöff und anderen liederlichen Händeln Anlaß gegeben“.

Die Scheibenwiesen zu Winsen wurden nun verpachtet und ihr Ertrag der auf 6 ½ bis 7 Taler angegeben wird, fiel teils der Kämmereikasse zu, teils wurde er zur Reparierung der Brücken in der Stadt verwendet. Das Verbot des Schießens wurde nicht überall strenge innegehalten, und auch in Winsen a.d. Luhe fand öfters ein Scheibenschießen statt. Im Jahre 1737 kam es der Regierung zu Hannover zur Kenntnis, daß in Winsen trotz des Verbotes ein Schießen abgehalten war, und sie erließ unter dem 29. Mai 1737 ein energisches Schreiben an den Oberamtmann Tollen zu Winsen, in welchem angeordnet wird, der Oberamtmann solle „Bürgermeister und Rath, wie auch denen Vorstehern der Winsischen Bürgerschaft nochmahlen in Unserm Namen ad protocollum declarieren, daß niemand von ihnen, bei schwerer Gefängnis-Strafe sich möge gelüsten lassen, so wenig das so genandte große Pfingst-als kleine Wochenschießen zu exerciren“. Durfte nun auch kein Königsschießen mehr stattfinden, so mußte doch die Bürgerschaft mit Gewehren versehen sein und wurde daraufhin seitensdes Rats der Stadt kontrolliert. So wurde u.a. am 20. September 1741 in Gegenwart der Senioren Hoffmann und Wehrhagen „die gesamte Bürgerschaft mit Ober-und Untergewehr gemustert“ und die schadhaften Gewehre beanstandet.

 

Im Jahre 1741 wurde auf Antrag vieler Städte das Verbot des Scheibenschießens zurückgenommen, und zwar hob es Georg der Andere, von Gottes Gnaden König von Groß-Britannien, Frankreich und Irland, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, unter dem 30. September 1741 auf und verfügte, „daß allen denenjenigen Städten, Flecken und Dörfern in Unseren gesamten Teutschen Landen, woselbst vormahls öffentliche Scheiben-Schießen gehalten worden, solches an einem unschädlichen, von der Obrigkeit anzuweisenden Ort, zu gehöriger Zeit und auf die vorhin gewöhnliche Art wiederum verstattet seyn solle; jedoch mit dem Anhang, daß diejenigen, welche es hierbey an gehöriger Vorsichtigkeit und guter Ordnungermangeln lassen, oder sich dem übermäßigen Gesöff dabey ergeben, und allerhand Schlägereyen und Unlust veranlassen, dieser Vergünstigung alsofort verlustiger sein sollen.
Alsbald holte man nun auch in Winsen wieder die Gewehre hervor und vom Sommer 1742 an erfreute sich die Bürgerschaft wieder beim Scheiben-Schießen. Es muß damals bei dem großen Scheibenschießen stets recht lustig hergegangen sein, denn das „Königlich und Churfürstliche Amt allhier“ sah sich öfters genötigt, gegen „das Schmausen und Gesöffe“ einzuschreiten. In einem Schreiben vom 6. Juni 1743 wird vom Amte angeordnet, daß „der Raths-Schmaus und die überflüssige Ausgabe für Wein, Coffee und dergleichen nachbleiben und den Corporalschaften statt neun Tonnen fünf Tonnen Bier gereicht werden“. In einem ähnlichen Schreiben des Amts vom 27. Juni 1747 wird angeordnet, daß die Bürgerschaft nicht mehr zur Beteiligung am Schießen „bei Verlust des Bürgerrechts“ gezwungen sein soll, sondern „daß es einem jeden Bürger frei stehet, ob er dem Scheibenschießen beiwohnen oder davon zurückebleiben will“. Der Bürgermeister und Rat sind dann gegen diese letztere Bestimmung vorstellig geworden, „weil einige in der Bürgerschaft, welche sich vornehmer als ihre Nachbarn zu sein dünken(!), das Wort Willkür zum Schießen auch auf den Auszug gedeutet, wodurch ein Zwist unter ihnen entstanden ist, maßen diejenigen, welche gerne Schießen wollen, vermeinen, daß ihnen dadurch eine Verachtung erwachse“, und ersucht im Auftrage der Bürgerkoporale um Beibehaltung des alten Zustandes, wonach ein jeder Bürger, wenn er gleich nicht mitmischen wolle, doch mit ausziehen, sein Gewehr präsentieren und dessen Tüchtigkeit examinieren lassen müsse, als welches ein jeder Bürger bei Gewinnung des Bürgerrechts schwören müsse. Aber das Amt entgegnete in einem Schreiben vom 1. Juli 1747, daß es seine Anordnung nicht zurücknehmen kann, „daß so wenig zum Scheibenschießen als zum Ausmarsch jemand wider Willen genötigt werden solle; diejenigen aber, welche einmal mit ausziehen,sollen bei 1 Thlr. Strafebis zum Ende da bleiben und ordentlich wieder mit einmarschieren“, auch wird in diesem Schreiben sehr energisch gesprochen „von den bisherigen Unordnungen, Gesöffe und einige Tage anhaltenden Schwelgereien der Bürgerschaft, worandie Herren des Rats auch einigermaßen Antheil genommen“.

In einem Erlaß „Gegeben auf Unserm Palais Herrenhausen, den 12. Aug. des 1750ten Jahres, Unsers Reichs im Vier und Zwanzigsten“ erneuerte Georg der Andere das Verbot der öffentlichen Scheibenschießen vom Jahre 1710, weil: „an den nachresten Orten sich ergeben, daß durch daß Scheiben-Schießen mancherley Ausschweiffungen, Zeit-und Geld-Verspilderungen, Unmäßigkeit im Trinken, Schlägerei und allerhand Unfug veranlassen“, wurde befohlen, daß das öffentliche Scheibenschießen in den Dörfern, Flecken und kleinen Städten gänzlich einzustellen sei. Zwar gestattete derselbe Fürst im Juli 1751 die Schützenfest wieder, nachdem er „von vielen Communen Unserer getreuen Unterthanengar sehnlich angegangen worden, diese von Alters hergebrachte und besonders verwilligte Freyheit zu einer unschuldigen Ergötzlichkeit und einzigen Uebung im Gewehre ihnen hinwiederum loszugehen und in gehörigem Maße genießen zu lassen“. Aber in Winsen wurde kein Schützenfest wieder abgehalten. Die Bürgerschaft hatte offenbar durch die fortwährenden Vorschriften der Regierung und des Amtes die Freude am Feste verloren.

 

Verkauf der alten Silbersachen der Winsener Schützengilde

Als Eigentum der 1750 aufgelösten Winsener Schützengilde wurde über 80 Jahre lang zwei Fahnen, ein silberner Vogel und 22 silberne Königsschilder auf dem Rathause aufbewahrt. Eine „Specification der Schilder, so der Schützengilde gehören“, beschreibt den Vogel und die Schilder.

Schon einmal –im Jahre 1732 -war der damals vorhandene Teil des Silberschatzes der Winsener Schützengilde bedroht, indem in diesem Jahre Georg der Andere durch ein Schreiben an den Landrost, Drost und Beamte zu Winsen a.L. anordnete, daß zur Bezahlung der Schuldender Stadt Winsen „das vorrätige alte Silber, so an Schildern vom Scheibenschießen vorhanden, zu verkaufen sei“. Aber die Bürgerschaft hat sich jedenfalls dagegen gewehrt, denn noch hundert Jahre später waren die Schilder aus den Jahren vor 1732 vorhanden.Im Jahre 1832 aber, suchte Bürgermeister von Hugo namens des Magistrats der Stadt beim Amte um die Erlaubnis nach, die Silbersachen verkaufen zu dürfen , „da sie nie wieder gebraucht werden und also der Kämmerei ferner keinen Nutzen schaffen, sondern nur ein totes Kapital sind“. Das Amt verfügte, daß darüber zuvor die Bürgerrepräsentanten zu vernehmen seien, und die Bürgervorsteher beschlossen am 26. Mai 1832,daß der Verkauf der Silbersachenvorerst ausgesetzt bleiben und abgewartet werden solle, ob der Bürgerschaft die frühere Schützengilde nicht wieder gestattet werden könne; sie ersuchen zugleich den Magistrat, die Konzession dazu bei Königlicher Landrostei zu erwirken. Ob die Konzession nicht erteilt ist oder ob sich die Sache zerschlagen hat,ist nicht bekannt.

Die 155 Loth schweren Silbersachen wurden 1833 für 90 Taler 10 gute Groschen Conventionsmünze verkauft und der Erlös floß in die Stadtkasse.

Das Jahrhunderte alte Silber der Schützengilde wanderte in den Schmelztiegel!

 

Neubegründung des Schützenkorps im Jahre 1848

Fast hundert Jahre hat das Schützenwesen im Städtlein Winsen geruht, als im Jahre 1848 der Gedanke einer Neubelebung freudigen Anklang fand. 60 Winsener Bürger geben am 5. Dezember 1848 ihre Unterschrift zu den neuen Statuten des Schützenkorps, das vom 13. bis 15. Juli 1849 sein erstesSchützenfest auf dem jetzigen Schützenplatz feierte, der im Jahre 1850 käuflich erworben wurde. Im Jahre 1874 wurde unter Kommandeur Apotheker Theodor Meinecke das erste Schützenhaus gebaut, das bis zum Jahre1912 den Ansprüchen genügte. Unter dem verdienten Kommandeur, Bäckermeister Julius Schröder, wurde in den Jahren 1912/1913 das neue Schützenhaus gebaut. Dem Winsener Volksfest wurde damit die Stätte durch das Schützenkorps erstellt, das alljährlich eine Stadt in „Eintracht und Bürgersinn“ ihr ältestes und beliebtestes Fest in den ersten Julitagen beisammen sieht.

Schützenhaus 1913 und Festumzug 1958