Endlich ein Jubiläum ohne wirtschaftliche oder politische Einwirkungen von außen in das Schützenkorps hinein. 1973 im Jahr des 125jährigen Bestehens war die Welt soweit in Ordnung. Dementsprechend keif ein großes Programm ab.
Im Mai wurde ein neuer Jubelkönig ausgeschossen. Mittlerweile war es der dritte in der Geschichte des Korps. Der erste wurde 1898 proklamiert: Lederfabrikant Otto Bergstede. Der zweite war im
Jahr des 800jährigen Stadtjubiläums von 1958: Herbert Kretschmer. Jetzt 1973 sollte es den dritten geben.
Am Freitag, dem 4. Mai 1973, bekam Herbert Kretschmer vor seinem Hause in der Niedersachsenstraße den Großen Zapfenstreich. Anschließend war Kommers im Schützenhaus. An sich ist ein Jubelkönig im
Unterschied zum Jahreskönig nicht verpflichtet, das Korps freizuhalten. Aber Herbert Kretschmer ließ sich nicht lumpen. Offenbar hatte er befolgt was ihm von Kommandeur Wilhelm Massa 1958
angeraten worden war: "Nun kannst du 15 Jahre sparen."
Am Sonnabend, dem 5. Mai, wurde der neue Jubelkönig ausgeschossen. Wer es geworden war, erfuhr man erst auf dem abendlichen Festball. Ein 59-Teiler hatte Hans-Peter Wittmann zum neuen Titelträger
gemacht. Wittmann war erst vier Jahre zuvor dem Schützenkorps beigetreten. Eine Woche vorm Ausschießen des Jubelkönigs trat er mit der Mannschaft des Reitvereins Winsener Marsch beim
Mannschaftsschießen des Schützenkorps an und setzte sich mit ihr auf Platz 1. Der neue Jubelkönig konnte schießen, zumal er Oberleutnant der Reserve war.
Ab Mittwoch, 27. Juni, lief eine sechstägige Festwoche. Das Schützenfest begann einen Tag früher als gewöhnlich. Mittwoch abend spielte im großen Saal des Schützenhauses das Heeresmusikkorps 6
aus Hamburg unter Leitung von Major Werner Gummelt. Bürgermeister Heinrich Riedel hatte zuvor die Festwoche offiziell eröffnet, und Kommandeur Karl Hermann Grimm hatte die zahlreichen Besucher
begrüßt. Gummelt war in Winsen schon ein Bekannter; mehrfach hatte er hier mit dem Musikkorps 3 aus Lüneburg gastiert.
In der Pause tanzte des Volkstanzkreis. Kommandeur Grimm nutzte die große Publikumskulisse, den Preisträger auf der Bürgermeisterscheibe bekanntzugeben. Es war Rolf Bühring. Den Großen
Zapfenstreich am Donnerstag abend legte man bewußt auf den Schloßplatz. Die Rechnung ging auf; man konnte mehr Zuhörer denn je registrieren. Und noch eine Steigerung, die der König Manfred Windt
geltende Zapfenstreich erfuhr: Das Heeresmusikkorps 6 war wiederum zur Stelle.
"Fröhlich miteinander!" gab Bürgermeister Riedel Freitag morgen auf der Rathaustreppe die Parole für das Schützenfest 1973 aus. Fröhlich sein durfte vor allem die neue Majestät
Erwin Rüdiger. "Erwin Opelinski!" riefen seine Freunde nach der Proklamation im großen Saal des Schützenhauses.
Unbestrittener Höhepunkt des Jubiläumsjahres 1973 war der sonntägliche Festumzug. Reiter vom Reitverein Winsener Marsch, der Volkstanzkreis Winsen auf einem Festwagen und die Stöckter
Faslamsbrüder mit einem großen Boot auf Rädern (Name des Schiffes: "König Erwin") bereicherten den Festzug.
Insgesamt 17 befreundete Vereine waren mit Abordnungen vertreten: Asendorf, Ashausen, Borstel, Fleestedt, Garstedt, Harburg (Gilde), Hittfeld (KKS), Luhdorf, Lüneburg (Gesellschaft), Over,
Pattensen, Radbruch, Stelle, Tangendorf und Tostedt. Kleinere Gruppen stellten die Vereine Raven und Schwinde.
Insgesamt sieben Musikzüge begleiteten den Festumzug: zwei Blaskapellen, zwei Fanfarenzüge und drei Spielmannszüge.
Auf dem Schützenplatz angekommen, weihte Dr. Erwin Rieckmann aus Brackel, der Vizepräsident des Deutschen Schützenbundes, die fünfte Fahne der Winsener Schützen. Platzmeister Heinrich Schipper
Rieckmann und sein Stellvertreter Hans Wehrmann hatten die Fahne gestiftet.
Die aus blauem Tuch bestehende Fahne zeigt auf der Vorderseite das als Schießscheibe dargestellte Winsener Schloß. An den Rändern Eichenlaubverzierungen. Die Aufschrift lautet: "Schützenkorps
Winsen an der Luhe" und "125 Jahre".
Auf der Rückseite prangt das Winsener Wappen. Hier heißt es "1848 - 1973" und "Gestiftet von Heinrich Rieckmann und Hans Wehrmann". In den oberen Ecken sind die Wappen der Familien Rieckmann und
Wehrmann angebracht, in den unteren Scheiben. Dazu kommen Eichenlaubverzierungen.
Beim abendlichen Feuerwerk war der Andrang so groß, daß Winsen-Süd einem einzigen Parkplatz glich.