Drei Amerikaner in Winsen. Das gab es anläßlich des Schützenfestes 1966. An der Überseebrücke im Hamburger Hafen hatte damals der US-Flugzeugträger "Randolph" festgemacht, und drei Mariners dachten, es müsse nicht immer nur St. Pauli und die Reeperbahn sein. Zur Abwechselung könnten sie sich eigentlich mal eine typische deutsche Kleinstadt ansehen. Ein Blick auf die Karte - und sie hatten sich für Winsen entschieden.
Es war Montag, der 4. Juli 1966, und vor ihnen lagen zwölf Stunden Freizeit. In Winsen ihrem Bummelzug entstiegen, schlenderten sie die Bahnhofstraße stadtwärts und landeten in der Redaktion des
"Winsener Anzeiger". Der Redakteur, der am besten englisch sprach, interviewte den amerikanischen Besuch und lud ihn schon in sein Dienstauto und machte mit den Dreien eine Rundfahrt durchs
Städtchen.
Als er zurückkam auf den Hof des Verlagsgebäudes, war soeben die Rotation angelaufen; noch war der "Winsener Anzeiger" eine Mittagszeitung. Die Mariners nahmen die frischgedruckte Zeitung zur
Hand und fragten schon, angeregt durch zahlreiche Fotos, was denn unter Schützenfest zu verstehen sei.
Das war genau das richtige Stichwort. Der Redakteur brachte die drei Amerikaner auf den Schützenplatz, wo die sofort in eine große Runde von Schützen aufgenommen wurden. Daß man hier in
Deutschland Bier und Kurze bevorzugte, hatten sie schon gehört und beteiligten sich gern.
Die Gäste mußten zeigen, was die im Schießen drauf hatten.
Die Kleinkalibergewehre kamen den Amerikanern ziemlich fremd vor, zumal sie auf ihrem Flugzeugträger mit Schießen gar nichts zu tun hatten. Unter den insgesamt 2500 Besatzungsmitgliedern waren
Michael J. Hayes aus Ohio und Archie Paul Morris aus Louisiana in der Schreibstube beschäftigt, und Thomas Handler aus Hawai wartete als Mechaniker die Jets auf der schwimmenden Festung.
Nach den eher bescheidenen Schießversuchen ging es an den Tisch des stellvertrtenden Kommandeurs, Wilhelm Peters. Die Spritztour nach Winsen bekam nun geradezu einen offiziellen Anstrich. Peters
ließ den mit dem Umzug der Kinder - es war ja der Montag des Kinderschützenfestes - auf dem Schützenplatz erscheinenden Spielmannszug den River-Kwai-Marsch spielen. Und schon erhob er sich und
steckte den Mariners einen Vereinsorden an. Nun waren die Gäste Mitglieder des Schützenkorps Winsen geworden, sozusagen ehrenhalber.
Autoscooter auf dem Festplatz. Klönen an einer Würstchenbude. Die Zeit verflog wie im Fluge. Und schon sprach Hotelier und Ex-König Werner Bruns eine Einladung zum Abendbrot aus.
Letzte Szene des ereignisreichen Tages in Winsen: der Ball im großen Saal des Schützenhauses. Der König von 1966, Franz Uschkoreit, bat die Mariners an seinen Tisch und bewirtete sie
königlich.
Das eigentliche Ereignis stand noch aus. Der Redakteur, dem die Gäste morgens in die Arme gelaufen waren, führte ungezählte Telefongespräche. Am Ende stand eine Einladung des Kommandanten der
"Randolph" zu einem Gegenbesuch des Winsener Schützenkorps. Nicht nur das, der Redakteur erreichte, daß die Bundeswehr am nächsten Morgen, also gleich am Dienstag nach dem Schützenfest, einen Bus
zur Verfügung stellte. Mit 50 Schützen darinnen rollte dieser nach Hamburg zur Überseebrücke.
Die Besatzung staunte nicht schlecht, als da 50 Männer in grünen Uniformen, jede Brust ordenübersät, das Kriegsschiff enterten. Die drei ins Schützenkorps aufgenommenen Mariners standen grüßend
an der Gangway. Mit einem Superlift, eigentlich bestimmt für den Transport von Flugzeugen, ging es hinauf in luftige Höhe auf das Flugdeck. Hier Begrüßung durch den stellvertretenden
Kommandanten, W.B. Morton, und Erwiderung durch Schützenkommandeur Wilhelm Massa.
Das Riesenschiff (42000 Tonnen) stammte aus dem Zweiten Weltkrieg, erfuhren die Winsener. Im Pazifik war es gegen die Japaner eingesetzt gewesen. Auf dem Flugdeck, aber auch innerhalb des
Schiffes konnte man überall die Spuren con Granateinschlägen erkennen. Insgesamt 303 Flugzeuge hatte die "Randolph" abgeschossen. 87000 Tonnen Schiffsraum hatte sie versenkt.
Ein großartiges Erlebnis für Kommandeur Massa und die Seinen. Gegessen wurde übrigens in der First-Class-Messe.
Geraume Zeit nach dem Ausflug auf dem Flugzeugträger traf in der Redaktion des "Winsener Anzeiger" ein Dankschreiben von Kapitänleutnant Horst-Dieter Maurer aus Glücksburg ein. Der war als
deutscher Verbindungsoffizier für die "Randolph" abgestellt gewesen und einer der Hauptorganisatoren der ganzen Unternehmung. Nun dankte er für das kleine Geschenk, das ihm Kommandeur Massa
überreicht hatte, und erinnerte sich lebhaft der gelungenen Begegnung zwischen Schützen und Mariners.