Anno 1597 - Winsens Bürgerwehr

Herzogin Dorothea stiftet ein Hosentuch


 

 

Herzog Wilhelm der Jüngere von Celle
und Herzogin Dorothea


Was Herzog Otto I. konnte, das konnte sein Bruder Herzog Ernst bestimmt auch.
Otto, im Schloß zu Harburg residierend, gründete Anno 1528 die Harburger Schützengilde. Wann Ernst, im Schloß zu Celle residierend, in seinem Städtchen Winsen an der Luhe eine Schützengilde bzw. eine Bürgerwehr gründete, ist unbekannt, weil durch den großen Brand des Jahres 1585 alle Akten im Winsener Rathaus verlorengingen.

Was in Harburg möglich war, war auch in Winsen möglich. Es ist davon auszugehen, daß auch hier Anfang des 16. Jahrhunderts das Schützenwesen seinen Anfang nahm.

 

Der erste sichere Beleg stammt vom 24. September 1597. Unter diesem Datum schrieben die "verordneten Schaffer der Schützengilde allhier zu Winsen" einen Brief an Herzogin Dorothea von Braunschweig-Lüneburg, zu diesem Zeitpunkt bereits im Winsener Schloß ansässig geworden; nach dem Tode ihres Gemahls, des Celler Herzogs Wilhelms des Jüngeren, hatte die herzoglich Familie Dorothea Winsen als Witwensitz zugewiesen.

So wie der verstorbene Gemahl, schrieben die Winsener Schützen, möge die hohe Frau für das Scheibenschießen einen Ehrenpreis stiften. Den Schützen schwebte ein Stück schwarzen Leidenschen Tuchs vor. So war es unter Herzog Wilhelm dem Jüngeren üblich gewesen. Alljährlich hatte er zum Winsener Schützenfest solch Hosentuch geschickt. Daß Dorothea diese Tradition fortsetzte, darf unterstellt werden.

Zunächst schoß die Winsener Schützengilde auf die Scheibe, später auf den Vogel. Sicher ist, daß 1618 ein Vogelschießen war. Das Fest hatte ein Nachspiel. Der Winsener Bürger Matthias Meyer schoß den Vogel ab, und dies sowohl im wörtlichen Sinne als auch im sprichwörtlichen Sinne. Meyer stand nun die sogenannte Freigerechtigkeit zu, daß heißt, er brauchte ein Jahr lang keine Steuern zu zahlen. So wollte es der Brauch. Die Stadt Winsen aber mauerte. Daraufhin beschwert sich Meyer in Celle und bekam Recht. Unter dem 09.Juli 1618 verfügte die Regierung des Fürstentums, daß dem Winsener Schützen die Freigerechtigkeit zu gewähren war.

 

Nach dem 30jährigen Krieg schossen die Winsener Schützen, erst unregelmäßig und schließlich regelmäßig, Jahr für Jahr auf die Scheibe. So gab es auch 1652 ein Scheibenschießen. Offenbar als Erinnerung an die früheren Vogelschießen ließen zehn Schützen, möglicherweise die Vorsteher der Gilde, im selben Jahr einen massiven silbernen Vogel herstellen. Alle zehn verewigten sich darauf, und zwar in dieser Reihenfolge: Joachimus Hoppe, Christoph Behre, Henning Flint, Hans Wehrhagen, Peter Hinkeldey, Ernst Pape, Schaffer Paul Mencke, Hans Schütte, Christoph Quedensen, Carsten Behre."

Ab 1695 gab es regelmäßig ein Scheibenschießen. Aber bevor die Schützengilde zur Tat schreiten mochte, inspirierte sie ein Schreiben des Winsener Rates an den Herzog zu Celle vom 27. Juli 1694. Das ganze Schreiben ist ein einziges Klagelied. Die Bürgerschaft zu Winsen sei verarmt. Ihre Gewehre habe die verkauft, oder sie seien verrostet. Nur etwa jeder zehnte Mann habe noch ein Gewehr. Dabei brauchte die Stadt aufgrund ihrer Verkehrslage eine "exercirte Bürgerschaft", also eine im Schießen wohlgeübte Mannschaft.

Das Klagelied mündete in die Bitte, der Herzog möge jeweils zum Winsener Schützenfest eine "Beysteuer" geben, heißt einen Preis.

Das tat der Herzog. Fortan erhielt die Winsener Schützengilde Jahr für Jahr zehn Taler. Dieses Geld wurde ohne Abzug dem jeweiligen Schützenkönig ausgezahlt. Dazu legte die Stadt einen silbernen Löffel und vier Lot. Weitere 14 Preise - sicher auch von der Stadt bezahlt - bestanden in zinnernen Schüsseln und Schalen. Ihre Unkosten konnte die Stadt - wenigsten zum Teil - aus dem Ertrag zweier Wiesen decken; es handelte sich um die große und kleine Scheibenwiese.

 

Der Termin des Winsener Schützenfestes scheint ab 1695 der Mittwoch nach Pfingsten gewesen zu sein. Daneben gab es noch kleine Scheibenschießen, verteilt auf die Sonntage drei bis vier Wochen vor und fünf bis sechs Wochen nach Pfingsten. Auch bei den kleinen Schießen konnte man Zinnsachen gewinnen.

Auf der anderen Seite war der König des großen Schießens verpflichtet, ein silbernes Schild zum Andenken an sein Königsjahr zu stiften.

Wie die Schützenfeste nach 1694 abliefen, ist bekannt. Morgens um sechs wurden die Bürgertrommeln geschlagen. Daraufhin hatte sich jeder Bürger mit seinem Feuerrohr nebst Munition und Seitengewehr bei seiner Korporalschaft einzufinden. Die Winsener Bürger waren nach Straßen in acht Korporalschaften eingeteilt.

 

Um sieben Uhr marschierten die Korporalschaften zum Rathaus. Der König des Vorjahres wurde von zwei Ratsherren und seiner Korporalschaft abgeholt und vorm Rathaus vom gesamten Rat empfangen. Sodann schmückte man ihn in der "Casse-Stube", das heißt in der Kämmerei, mit den "Schildereyen", mit dem Zeichen seiner Würde. Die von jedem König zu liefernden Schilder waren gewiß bereits Bestandteile einer Königskette.

Auf dem Marsch zum Schießplatz - wo immer der sich befand - ging des Bürgermeister mit der ersten Kompanie, woraus zu schließen ist, daß die acht Korporalschaften mindestens zwei Kompanien bildeten.

Ein Beamter vom Schloß eröffnete im Namen des Landesherrn das Schießen. Nach ihm hatte jeder Bürger drei Schuß frei. Wer zwei Häuser besaß, mußte zwei Gewehre besitzen und durfte sechsmal schießen. Während des Schießens wurde korporalschaftsweise gefrühstückt. Abwechselnd mußten die Schützen Schinken und Brot mitbringen. Das Bier spendierte die Stadt.

Nach dem Schießen ging´s zurück in die Stadt. Vorm Rathaus hielt der Bürgermeister eine Schlußansprache und entließ die Schützen heimwärts.